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Geschichte von Efringen und Kirchen

Die beiden Dörfer Efringen und Kirchen wurden 1942 zu einer Gemeinde vereinigt und sind mittlerweile durch Bebauung vollständig zusammengewachsen.

Archäologische Funde bezeugen hier eine Siedlungskontinuität von der Steinzeit über die Bronze-, Römer- und Alemannenzeit bis ins Mittelalter und in die Neuzeit. Werkzeuge und Geräte mittelsteinzeitlicher Jäger entdeckte man in den Höhlen beim Hartbergtunnel und am Katzenrain. Aus der jüngeren Steinzeit stammen Hockergräber mit Grabbeigaben, auch Glockenbechern. In Gräbern der Bronzezeit fand man einen Dolch und Armringe aus Bronze. Der Urnenfelderzeit (späte Bronzezeit) gehören Bestattungen auf dem Bergrain an, Römische Siedlungsreste barg man auf der Britsche und auf dem Bergrain (evtl. Fliehburg). Alemannische Reihen- und Plattengräber fanden sich an verschiedenen Stellen in beiden Ortschaften. Efringen und Kirchen weisen in ihrer Geschichte immer wieder Gemeinsamkeiten und Berührungspunkte auf, haben aber im wesentlichen eine eigene Vergangenheit.



Kirchen

Chirihheim. So heißt der Ort in der ältesten Urkunde von 814/15. Im ganzen Ort verstreut liegen kleine und größere Grabgruppen. Seine Toten auf dem eigenen Hof zu beerdigen war in den Jahrzehnten um 700 üblich; 7-9 Grabgruppen deuten auf ebensoviele Höfe. Zwei Höfe sind bemerkenswert: "Der Hof" und "der Hof auf dem Berg". Der "Hof auf dem Berg", auch "Meier auf dem Berg" oder "Hofgut zur Bromen" wird ab 1329 genannt. Er gehörte wohl zu den Gütern, die die Familie von Kirchen im frühen 13. Jh. über Umwege an das Basler Stift St. Peter verkauft hat. Letzte Reste wurden 1940/41 ausgegraben: Gräber, Mauern, reiches Fundmaterial aus dem 9.-15. Jh. Der letzte von Kilchen in Kirchen - Heinrich, genannt zur Brame - lebte noch bis 1272 hier, dann zog die Familie nach Basel.
 
Wichtiger als der "Hof auf dem Berg" war "Der Hof". Nicht irgendein Hof, sondern ein Königshof. Mehrfach haben hier Könige bzw. Kaiser Rast gemacht. Heinrich II. schenkt den Hof dem Kloster St. Georgen in Stein am Rhein, St. Georgen verkauft 1272 an die Habsburger. 1361 hat ihn Petermann von Grünenberg als habsburgisches Lehen, 1416 Hemman von Grünenberg. Kurz danach verliert sich seine Spur.
 
Kirchen war im Mai und Juni 887 Zentrum des karolingischen Reiches - ein Reichstag, ein Eklat führt zur Trennung von Kaiser Karl III. von seiner Ehefrau Richgard. Hochrangige Personen waren hier, dazu Personal, waffentragend und zivil, vermutlich mehrere tausend Leute. Auch eine Delegation aus Paris - die Dänen wollen den 885 versprochenen Tribut. Leider wissen wir nicht, wie hoch das Schmiergeld für die Nicht-Zerstörung der Stadt Paris war, aber es wurde in Kirchen übergeben. Zeittypisch wären 6.000 bis 12.000 Pfund Gold und Silber.
 
Den Königshof finden! Herzenswunsch des Pfarrers Julius Schmid, der ab 1907 mit einer Sondierstange den Bergrain durchstochert. Er wird fündig: spätbronzezeitliche Urnen, ein Haus mit vielen römischen Funden (III), ein abgebranntes Haus mit einigen römischen Funden (I), ein Haus mit Brandresten, aber ohne Funde (II). In und um Häuser I-III: kein Fund aus der Karolingerzeit, keine 887 verlorene Münze oder zerschlagener Topf, kein Fund aus dem Hoch- und Spätmittelalter. 1909 hält Schmid alle Gebäude für römisch. 1911 sind I und II für ihn die Reste des Königshofes. Zumindest, bis er besser passende Baulichkeiten entdeckt ... Schmid hat den Königshof und den "Hof auf dem Berg" für ein und denselben Hof gehalten, und deshalb wohl an der falschen Stelle gesucht.
 
Kirchen war bis 1848 größer und bedeutender als Efringen. Das ändert sich, als Efringen die (vorläufige) Endstation der Badischen Bahn wird. Ein beträchtlicher Teil der Kirchener Bevölkerung Mitte des 19. Jh. war jüdischen Glaubens - Kirchen hatte eine bedeutende jüdische Gemeinde. Ihren Anfang nahm sie um 1736, als mehrere aus Dornach vertriebene Juden markgräfliche Schutzbriefe erhielten. Die jüdischen Einwohner teilten mit ihren christlichen Nachbarn die Nöte und Entbehrungen der Revolutions-, Kriegs- und Hungerjahre; dazu kamen spezifische Nöte und spezielle Schikanen, die nur die jüdische Bevölkerung zu tragen hatte. Hausierhandel z.B. mit Kaffee oder Zucker, oder aber Viehhandel waren die überwiegende Lebensgrundlage. Die Eisenbahn veränderte den Viehhandel, und im späten 19. Jh. ist die jüdische Gemeinde im Schrumpfen begriffen. Bis in die 1930er-Jahre schrumpft die Gemeinde weiter, im Zuge der Reichspogromnacht wurden zahlreiche Männer interniert. Im September 1939 werden dann die Kirchener - alle Kirchener - evakuiert, Kirchen liegt (wie die anderen Rheinanlieger-Gemeinden auch) in der "Roten Zone". Hier ist mit Kriegsbeginn mit französischer Gegenwehr zu rechnen (Kirchen erleidet große Schäden), deshalb müssen Zivilisten die Orte räumen. Die christlichen Kirchener kehren ab Dezember nach Kirchen zurück. Den jüdischen Kirchener wird dies verboten; sie werden im Oktober 1940 aus ihren Ausweich-Quartieren nach Gurs deportiert. Es überlebt fast niemand.



Efringen

Eher durch Zufall wurde Efringen der älteste Ortsteil von Efringen-Kirchen: vor 1900 entdeckte man "in den Widmen" ein Grab, das Grab eines Mädchens. Ihre Familie hatte ihr eine Perlenkette umgelegt, mit farbenfrohen Glasperlen - top-modisches Accessoire des frühen bis mittleren 7. Jahrhunderts. Unansehnlich und spektakulär zugleich ist der Rest eines Frauenschuhs aus der Hutgasse. Der Lederschuh wurde in den Jahrzehnten um 700 getragen, und er ist ein absolutes Unikat: der Schuh hatte eine genagelte Sohle. Schuhe von unten her mir Eisennägeln zu spicken, war in römischer Zeit üblich und den gepflasterten und geschotterten Straßen geschuldet. Mit dem Ende des Römischen Reiches kam auch das Ende des genagelten Schuhs. Eigentlich.
Über die Zeit bis ca. 1100 wissen wir über das Dorf und seine Bewohner nichts. Bis zur Jubiläumsfeier 2013 galt eine Schenkung des Walcho von Waldeck an das Kloster St. Blasien als die älteste Nennung des Ortes in einer Urkunde. St. Blasien hat aber schon einige Jahre zuvor Güter in Efringen übereignet bekommen. An dem komplizierten Tauschgeschäft beteiligt war Bischof Burkhart von Basel. Dieser starb am 12.04.1007, die Urkunde selbst trägt leider kein Datum.
St. Blasien hatte in Efringen einen Dinghof. Das machten alle Grundherren, Klöster und Adelsfamilien gleichermaßen: zu versuchen, den Besitz und die Ansprüche zu konzentrieren und möglichst mittendrin einen "Verwaltungssitz", von dem aus der Meier ein scharfes Auge auf die Bauern hat. Da viele Klöster in unserer Region Besitztümer, Rechte und Leute hatten, sind die Ortschaften des Markgräflerland gespickt mit Ding- und Meierhöfen, mancherorts gleich mehrere verschiedener Herren. Im Dinghof werden die Abgaben gesammelt, Frondienste organisiert, kleinere Vergehen der zugehörigen Leute geahndet. Rechte und Pflichten des Meiers, des Grundherren, der zinspflichtigen Bauern, der Leibeigenen sind vertraglich fixiert - die älteste (bekannte) Dinghofordnung von Efringen wurde kurz nach 1352 verfasst.
Efringen teilt als Winzer- und Bauerndorf in den folgenden Jahrhunderten das Schicksal seiner Nachbarn, mit allen Höhen und Tiefen.
Europaweit bekannt wird Efringen - anders als die meisten Nachbarorte - in den 1840er-Jahren. Durch den Eisenbahnbau.
Selbst im hintersten Winkel Niederösterreichs erfährt man aus der Tagespresse vom neuen Touristenziel Efringen: die Arbeiten an der Bahntrasse zwischen Schliengen und Efringen sind ein must-see! Selbst als 1848 die Badische Staatsbahn die (vorläufige) Endstation Efringen erreicht, ist es en vogue, den Zug schon in Schliengen zu verlassen und zu Fuß bis Efringen zu gehen. Vermutlich auf den Bahngeleisen, heutzutage keinesfalls empfehlenswert. Als Endstation taucht Efringen auch in der Revolutions-Berichts-Erstattung regelmäßig auf, und dann verschwinden 1849 und 1852 auch noch mehrfach mehrere Fässer voller Geld. Nicht zugestellt durch die Speditions-Station Efringen ...
Durch die Eisenbahn überflügelt Efringen das bis dahin bedeutendere Kirchen. Ein herber Schlag für die Kirchener. Es kam noch schlimmer. 1845 bat Efringen um "Errichtung einer Anhalt-Station an der Eisenbahn in hiesigem Ort", und natürlich stand dann "Efringen" auf dem Schild. Erst 1877 konnten Kirchener Bürger eine Umbenennung in "Efringen-Kirchen" erreichen.

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